Quelle: www.gruendungszuschuss.de
Wie konnte es dazu kommen, dass der Bundesrat das „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am vergangenen Freitag ablehnte? Ein Beitrag im Tagesspiegel liefert dazu interessante Hintergründe. Sie lassen leise Hoffnungen erwachen, dass die Kürzungen beim Gründungszuschuss womöglich doch noch abgewendet werden können.
Das Veto des Bundesrats kam für Arbeitsministerin von der Leyen offenbar überraschend. Für den Einspruch und die Anrufung des Vermittlungsausschusses ist eine absolute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen im Bundesrat nötig. Die Opposition verfügt über 30 Stimmen, die Regierung über 25. Die restlichen Stimmen entfallen auf „neutrale Bundesländer“, die aus einer Koalition von Parteien geführt werden, die zum Teil der Bundesregierung angehören, zum Teil der Opposition. Auf deren Neutralität und die Geschlossenheit der eigenen Reihen hatte sich von der Leyen verlassen. Offenbar zu Unrecht. Zwar veröffentlicht der Bundesrat das Abstimmungsverhalten der Länder prinzipiell nicht, aber es muss einigen Widerstand gegeben haben.
Laut „Tagesspiegel“ war es Reiner Haseloff, der erst im März 2011 gewählte und ansonsten recht unscheinbare Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, also Chef einer an sich „neutralen“ CDU/SPD-Landesregierung, der letztlich für das Veto verantwortlich war. Am Vorabend der Bundesratsentscheidung plädierte er in der Spitzenrunde der Union mit solchem Nachdruck für Änderungen am Gesetz, dass Kanzlerin Angela Merkel nachgab. (Von der Leyen war an diesem Abend nicht anwesend.)
Es wurde zunächst beschlossen, das Gesetz von der Tagesordnung des Bundesrats zu nehmen und es hinsichtlich der von Haseloff genannten Punkte nachzubessern. Erst am nächsten Morgen, unmittelbar vor der Sitzung, wurde den Ländervertretern dann klar, dass in diesem Fall die dreiwöchige Einspruchsfrist (ab Verabschiedung durch den Bundestag) verstrichen wäre. Der einzige Weg für die Länder, doch noch Nachbesserungen zu erreichen, war also, mit Stimmen der CDU noch am selben Tag Veto einzulegen – eine peinliche Niederlage für Ministerin von der Leyen.
Andererseits hatten die Bundesländer ihre Bedenken ja bereits im Juli deutlich gemacht. Schon damals hatten sie, unter anderem mit den Stimmen der bayerischen Landesregierung und offensichtlich auch Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns, die Kürzungen beim Gründungszuschuss rundweg abgelehnt. Haseloff und andere Ministerpräsidenten fürchten vor allem eine Verlagerung der Kosten für Arbeitslose vom Bund auf die Länder, wenn Arbeitslose statt zu gründen in die Langzeitarbeitslosigkeit abrutschen. Ostdeutsche Kommunen sind besonders betroffen. Allein für Sachsen-Anhalt ist mit Mehrkosten von 50 Millionen Euro zu rechnen. Haseloff verlangte laut „Tagesspiegel“ mehr Augenmaß von der Regierung, auch dürfe man die Kommunen nicht überfordern. Die Kürzungspläne seien zu radikal.
Laut „Tagesspiegel“ muss Ursula von der Leyen nun „eine Verhandlungsrunde mit den Ländern einplanen“. Zwar könnte der Bundesrat das Gesetz nicht aufhalten, wenn der Bundestag es mit Kanzlermehrheit beschließt, offenbar ist aber auch die erforderliche absolute Mehrheit im Bundestag nicht mehr sicher.
Bei den Verhandlungen soll es um die folgenden drei Punkte gehen:
– Die Gründungszuschuss soll unverändert als Pflichtleistung erhalten bleiben und seine Dauer nicht verkürzt werden. Die Länder sehen in ihm ein wirksames Instrument, Arbeitslose und ganz besonders auch Gründerinnen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
– Die Förderung von Betrieben, die Jugendlichen eine Einstiegsqualifizierung bieten, soll erhalten bleiben.
– Die Förderdauer beim Eingliederungszuschusses für Arbeitnehmer ab 50 Jahren soll nicht gekürzt werden.
SPD und Grüne hatten sich noch mehr Änderungen erhofft, stimmten dann aber dem auf diese Punkte eingeschränkten Vermittlungsverfahren zu. Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik der Grünen, erklärte: „Der Stopp der Instrumentenreform durch den Bundesrat ist ein knallhartes Signal an die Ministerin. Der Kahlschlag bei der Arbeitsförderung wird auch von ihren eigenen Leuten in den Ländern nicht unterstützt.“
Der Bericht nährt zaghafte Hoffnungen, dass es doch noch zu einer teilweisen Rücknahme der Kürzungspläne kommen könnte. Besonders wichtig wäre aus unserer Sicht eine Korrektur der völlig überzogenen und von allen Experten (selbst Befürwortern) als unrealistisch gesehenen Budgetkürzung um 75 Prozent, die in Verbindung mit der Abschaffung des Rechtsanpruchs zu einem hohen Maß an Willkür und Ungleichbehandlung unter den Gründern führen würde sowie dazu, dass deutlich weniger Arbeitslose in den Arbeitsmarkt integriert werden.
Ob diese aufkeimenden Hoffnungen sich aber bewahrheiten, bleibt abzuwarten. Gründungsinteressierte sollten ihre Gründung vorantreiben und eine fachkundige Stellungnahme einholen, so dass sie im Fall eines abschließenden Beschlusses durch den Bundestag noch vor Inkrafttreten der Neuregelung gründen können, auch wenn sie im Grunde etwas mehr Vorbereitungszeit benötigen/sich wünschen würden.
2. Zeitplan:
Wann treten die Änderungen beim Gründungszuschuss denn nun in Kraft? Verwirrende Äußerungen bei einigen Arbeitsagenturen
Was bedeutet das Veto des Bundestags konkret für den weiteren Zeitplan des Gesetzgebungsverfahrens? Wann ist mit dem Inkrafttreten der Änderungen zu rechnen?
Eigentlich wollten heute Abend bereits im Vermittlungsausschuss Ländervertreter mit Mitgliedern des Bundestags über das umstrittene „Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt“ verhandeln, mit dem der Gründungszuschuss neu geregelt werden soll. Aufgrund von Terminfindungsproblemen bei den Beteiligten wurde dieser Termin allerdings verschoben, was nicht ausschließt, dass zwischen den Beteiligten bereits Abstimmungen im kleineren Kreis stattfinden.
Am wahrscheinlichsten ist ein Ausschuss-Termin in der nächsten oder übernächsten Sitzungswoche des Bundestags, also in der 45. oder 47. Kalenderwoche. Der Vermittlungsausschuss tagt meist in der Mitte der Woche abends, also zum Beispiel am 9. November oder am 23. November. Folgende Szenarien sind denkbar:
1. Der Vermittlungsausschuss erzielt einen Kompromiss. Zunächst muss dann der Bundestag das veränderte Gesetz noch einmal mit einfacher Mehrheit beschließen. Anschließend hat der Bundesrat die Möglichkeit, erneut Einspruch zu erheben, was aber nach erfolgreicher Vermittlung sehr unwahrscheinlich ist. Ohne erneutes Veto des Bundesrats würde das „veränderte“ Gesetz dann ohne weitere Abstimmung direkt an den Bundespräsidenten zur Prüfung und Unterschrift gehen.
2. Der Vermittlungsausschuss erzielt keinen Kompromiss bzw. der Bundestag entscheidet sich, das Veto des Bundesrats zu ignorieren. Dann stimmt zunächst erneut der Bundesrat ab, ob er sein Veto aufrechterhält. Sollte er dies tun, muss der Bundestag das Gesetz mit Kanzlermehrheit (absolute Mehrheit der gewählten Abgeordneten) beschließen. Der Bundesrat kann auch auf den Einspruch verzichten. Dann geht das Gesetz unverändert und ohne weitere Abstimmung im Bundestag direkt an den Bundespräsidenten.
Wie berichtet, kann der Vermittlungsausschuss bis zu dreimal tagen, bevor die Vermittlung als gescheitert gilt. Er hat auch die Möglichkeit, die Verhandlungen an einem anderen Termin fortzusetzen, sich also öfter als dreimal zu treffen. Zudem kann er eine Arbeitsgruppe mit vertiefenden Verhandlungen betrauen. Häufig ist für die Vermittlung aber nur eine einzige Sitzung notwendig, zum Beispiel weil die entscheidenden Akteure sich schon im Vorfeld geeinigt haben.
Sollte es zu einer Einigung in der ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses kommen, wären die daraufhin notwendigen Abstimmungen im Bundesrat und ggf. Bundestag noch in derselben Sitzungswoche möglich, also zum Beispiel bis Freitag, den 11. November bzw. Freitag, den 25. November. Von da ab gerechnet muss man erfahrungegemäß zwei bis drei Wochen für die Prüfung durch den Bundespräsidenten einrechnen, was unter obigen Annahmen als Termin für das Inkrafttreten Anfang Dezember oder Mitte Dezember wahrscheinlich erscheinen lässt.
Falls mehrere Sitzungen des Vermittlungsausschusses nötig sind, könnte sich das Verfahren noch weiter hinziehen. Andererseits ist es auch nicht völlig auszuschließen, dass der Vermittlungsausschuss sich doch früher trifft oder der Bundespräsident die Prüfung ungewöhnlich schnell vollzieht.
Verwirrende Äußerungen bei einigen Arbeitsagenturen
Zu erheblicher Verwirrung führen momentan die Auskünfte von Mitarbeitern einiger Arbeitsagenturen. u.a. Oldenburg. Diese gehen noch davon aus, dass das Gesetz zum 1.11.2011 in Kraft tritt und raten Gründungswilligen, bis spätestens Montag, 31.10.2011 das Gewerbe bzw. die selbständige Tätigkeit anzumelden. Sie hätten die Anweisung, Anträge mit späterem Gründungsdatum zu sammeln und zunächst nicht zu bewilligen. Hintergedanke der Agenturen: „Nach dem Inkrafttreten sammeln wir erst mal alle Anträge und schauen, wie viel Geld uns überhaupt für den Gründungszuschuss bis Jahresende zur Verfügung gestellt wird. Dann erst entscheiden wir, welche Anträge wir bewilligen.“
Auf den Hinweis, dass das Gesetz ja noch gar nicht verabschiedet ist und bis zum Inkrafttreten ein Rechtsanspruch besteht, hört man dann schnell den Hinweis, das Gesetz könne ja vielleicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Ist das tatsächlich möglich? – Unseres Wissens können nur Gesetze, die ausschließlich rechtliche Vorteile bringen (wie die Vereinfachung der Grundsätze für elektronische Rechnungen) rückwirkend in Kraft gesetzt werden, andernfalls wäre das Prinzip der Rechtssicherheit verletzt. Wir werden zu diesem Thema aber weiter auf unserer Seite berichten. Für viele Gründer ist ja nicht allein entscheidend, dass sie später Recht erhalten, sondern auch, dass sich durch das Verhalten der Arbeitsagentur möglicherweise die Bewilligung und Auszahlung des Zuchusses verzögern könnte.
Bild: Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Arbeit und Soziales.
Quelle: Laurence Chaperon http://www.cducsu.de/Titel__dr_ursula_von_der_leyen/TabID__23/SubTabID__24/AbgLetter__76/AbgID__337/WP__17/Abgeordnete.aspx